Arbeitskampf in Zeiten sehr hoher Inflation

Seit Mitte 2022 stiegen die Preise in allen Lebensbereichen massiv an. 2023 lag die Inflation laut Statistik Austria bei 7,9 Prozent nach 8,6 Prozent im Jahr 2022. Die Teuerung im Jänner 2023 betrug sogar 11,2 Prozent, im Dezember 2023 immerhin noch 5,6 Prozent.

Inflation in Österreich über EU-Schnitt, Wohlstand sinkt

Vergleicht man die harmonisierte Inflationsrate innerhalb der EU und der Eurozone, so stellt man fest, dass Österreich bei der Inflation im Spitzenfeld liegt. Gleichzeitig ist Österreich bei den Wirtschaftsprognosen 2024 und 2025 im unteren Feld der EU-Staaten. Dazu kommt, dass der Wohlstand seit 2019 gesunken ist. Das sieht man am BIP pro Kopf: Hier lag Österreich im vierten Quartal 2023 um 2,8 Prozent niedriger als im vierten Quartal 2019.

© Rauch-Gessl, AK Niederösterreich

Kampf um gerechte Löhne und Kaufkraft

Insofern ist es aus Sicht der Gewerkschaften im Jahr 2023 extrem wichtig gewesen, die Kollektivvertragsverhandlungen angesichts der Teuerung und der rollierenden Inflation zur Kaufkrafterhaltung der Beschäftigten zu nutzen und damit auch die Wirtschaft anzukurbeln. Das ging 2023 nicht, ohne harte Arbeitskämpfe führen zu müssen.

Angriff auf Benya-Formel und Einkommen der Beschäftigten

Die Arbeitnehmer:innen waren einem starken Gegenwind seitens Politik und Wirtschaft ausgesetzt. Schon vor Beginn der Verhandlungen wurden Forderungen nach Lohnzurückhaltung und längeren Laufzeiten der Kollektivverträge laut. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und die Wirtschaft gaben kräftigen Lohnabschlüssen und einer vermeintlichen Lohn-Preis-Spirale die Schuld an der hohen Inflation. Zudem wurde von Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher die Modifizierung der Benya-Formel zum Nachteil der Arbeitnehmer:innen ins Spiel gebracht. Er schlug vor, das Senioritätsprinzip abzuflachen, da ältere Arbeitnehmer:innen zu teuer seien. Die rollierende Inflation und die von Arbeitnehmer:innen geschaffenen Produktivitätssteigerungen als Basis für die Verhandlungen wurden offen infrage gestellt. Tatsächlich gab es eine Gewinn-Preis-Spirale, die von vielen Fachleuten bestätigt wurde.

Metaller:innen: Härtester Arbeitskampf der letzten 60 Jahre

Wie hart der Arbeitskampf war, zeigte sich bei den 200.000 Metaller:innen. Angesichts einer rollierenden Inflation von fast schon 10 Prozent forderte die Gewerkschaft Lohn- und Gehaltssteigerungen von 11,6 Prozent. Die Arbeitgeber boten lediglich 2,5 Prozent plus Einmalzahlung an – aus Sicht der Gewerkschaften zu Recht ein realitätsfernes und inakzeptables Angebot. Es folgte der härteste Arbeitskampf der letzten 60 Jahre mit acht Verhandlungsrunden, 470 Betriebsversammlungen mit über 75.000 Beteiligten und mehrere Warnstreiks in ganz Österreich. Nach zehn Wochen kam es Anfang Dezember zu einem Abschluss der KV-Verhandlungen mit einem Lohn- und Gehaltsplus von 10 Prozent – maximal jedoch 400 Euro pro Monat. Um 8,5 Prozent wurden Mindestlöhne, Grundgehälter, Zulagen und Aufwandsentschädigungen angehoben. Lehrlinge im ersten Lehrjahr bekommen 1.000 statt 900 Euro. Novum der Metaller-KV-Verhandlungen war die Einigung auch für das Jahr 2025. Löhne und Gehälter sollen mit 1. November 2024 um ein Prozent über der rollierenden Inflation steigen.

Ringen auch in anderen Branchen

Die KV-Verhandlungen für die Sozialwirtschaft Österreich brauchten drei harte Verhandlungsrunden bis zum Abschluss. Die Beschäftigten der Branche bekommen 9,2 Prozent plus bei Lohn- und Gehalt, Zulagen und Zuschlägen sowie neuem Mindestlohn in der Höhe von 2.067,40 Euro zu erreichen. Zudem wurde ein Zuschlag von 15 Prozent für die Nachtarbeit, fürs Einspringen und auch bei Mehrarbeit erzielt. In der Bewachungs-Branche konnten die Sozialpartner erst in letzter Sekunde eine Einigung erringen. Die Einkommen steigen um durchschnittlich 10,3 Prozent, die Zulagen um 6,9 Prozent mit Geltungsdauer 01.01.2023. Auch im Handel mussten gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen ergriffen werden, denn die Arbeitgeber zeigten sich verhandlungsunwillig. Ab Mitte November 2023 kam es in ganz Österreich zu gezielten Warnstreiks. Nach sieben Verhandlungsrunden wurden Ende Dezember Lohn- und Gehaltserhöhungen zwischen 8,3 und 9,2 Prozent und ein Mindesteinstiegsgehalt von 2.124 Euro vereinbart.

Fazit: Kampf zahlt sich aus

Im Jahr 2023 bewiesen Kollektivverträge angesichts der hohen Inflation einmal mehr ihre Wichtigkeit. Alle Mindestlöhne bzw. -gehälter wurden um zwischen neun und 25 Prozent (Lehrlingseinkommen), viele niedrige Löhne und Lehrlingsentschädigungen sogar überproportional erhöht. Dazu wurden auch Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich, zusätzliche freie bezahlte Tage und verbesserte Überstundenbezahlung von den Gewerkschaften durchgesetzt.